Die Zukunft der Eventbranche

Aufmacher Events

Eigentlich schien es so, als hätte sich die Event-Branche auf ein „New Normal“ eingependelt. Man hat in Pandemiezeiten gelernt, dass Videokonferenzen doch funktionieren. Nicht nur als zyklisches Meeting unter Mitarbeitern sondern auch als öffentliche Veranstaltung, mit und ohne bezahlten Eintritt. Die sprichwörtliche Zoom-Konferenz – erinnert sich noch jemand an die Zeit, als man den Begriff „suchen“ statt „googeln“ verwendete – ist für Menschen leicht zugänglich, eignet sich sowohl zur frontalen Informationsübertragung als auch zur Diskussion und spart sogar CO2.

Man könnte also meinen, wenn die Messehallen dieses Jahr ihre Tore wieder öffnen, dann werden die Veranstalter zwar mit Freude wieder die viel größeren Einnahmen aus dem Verkauf von Tickets und Ausstellungsfläche entgegennehmen, aber gleichzeitig es sich nicht nehmen lassen, die guten Botschaften vom „Dancefloor“ auch per Digitalübertragung in die Welt zu posaunen.

Gründe dafür gibt es genug. Vermutlich wird es dauerhaft strengere Bestimmungen in Sachen Hygiene und Abstand geben, was notgedrungen dazu führt, dass weniger Menschen in die Hallen gelassen werden, als gerne kommen würden. Dann gibt es Firmen aus Übersee – West und Ost, die ihren Mitarbeitern das Reisen verbieten oder die Reisebudgets grundsätzlich reduzieren. Das hat mit Kostenersparnis zu tun aber eben auch mit Klimaschutz. Der First-Class-Flug von San Francisco nach Köln und zurück macht sich nicht gut in der Klimabilanz.

Und drittens gibt es Menschen, die sowieso nicht gekommen wären, obwohl sie sich für ein Thema der Veranstaltung interessieren. Der Vermarkter spricht hier von Prospects. Das sind also Menschen, die unsicher sind, ob eine analoge Präsenz auf einer Messe etwas fürs Geschäft bringt. Der digitale Livestream dient also quasi als Teaser für das „Echte“.

Content gibt es genug

Aber dieses „New Normal“ ist keineswegs gesetzt. Ich hatte das Vergnügen in der letzten Woche mit fünf Veranstaltern zu sprechen und mir deren Pläne anzuhören. Dazu zählen die drei Großveranstalter von DMEXCO (Dominik Matyka), OMR (Philipp Westermeyer) und Bits & Pretzels (Christian Lohmeier)  sowie Torsten Schwarz (Absolit) und Arne Schulze-Geisler (Adzine), die kleinere Veranstaltungen in bestimmten Segmenten der Digitalbranche durchführen (DigitalKonferenz.net und Adtrader).

Und alle haben ganz unterschiedliche Ideen zur Zukunft des Eventbusiness. Beginnen wir mit den „freien Radikalen“ an beiden Enden des Spektrums. Torsten Schwarz macht ein reines Digitalevent. Über die Jahre war er – einer der profiliertesten deutschen E-Mail-Experten – immer wieder als Partner bei analogen Konferenzen dabei und das wird er auch fortführen. „The New Normal“ sorgt bei ihm dafür, dass er mit überschaubarem Aufwand seine guten Kontakte nutzen kann und eine digitale Konferenz zusammenzimmert, bei der er sich nicht um Hallenmiete und Catering kümmern muss.

Am anderen Ende des Spektrums sitzt Christian Lohmeier. Seine Konferenz Bits & Pretzels ist längst kein Startup-Event mehr, denn viele „Etablierte“ aus der Branchen kommen nach München, um von den Startups zu lernen, mit ihren Kooperations- und Übernahmeverhandlungen zu führen, oder einfach um den Mega-Promis Barack Obama oder Jessica Alba zuzuhören. Früher konnte man das noch im Wiesnzelt mit Bier in der Hand tun, heuer findet das Ganze ob seiner Größe, auf dem Gelände der Messe München statt.

Lesen Sie das ausführliche Tischgespräch mit Matyka, Wetsermeyer und Lohmeier

Christian setzt ganz und ausschließlich auf die Präsenzveranstaltung. „Das ist das Einzige, was wir wirklich gut können. Digital ist ein anderes Geschäftsmodell“, sagt Lohmeier im Roundtable, den ich für MEEDIA abhalten durfte.  Content der Promis, wie Barack Obama, gebe es im Netz genug, meint der Münchner. „Man will einmal mit denen in einem Raum sein“.

Zwischen den beiden sitzen die drei anderen mit unterschiedlicher Vorstellung zur Idee eines Hybrid-Events. Philipp Westermeyer setzt mit seinem OMR-Festival auch voll auf die Präsenzveranstaltung. „Es wäre ein falsches Signal, auch für das Team, wenn wir zweigleisig fahren würden“, so der Hamburger. Dennoch gibt es bei OMR dieses zweite Gleis. OMR hat sich als dauerhafte redaktionelle Marke im Marketing in Stellung gebracht. Über klassische Text-Bild-Beiträge, den berühmten Podcast und inzwischen auch immer mehr Videoproduktion, erreichen die Hanseaten die Zielgruppe auch über das ganze Jahr. Spannende Gesprächspartner und Themen lassen sich dort gezielter einsetzen, als wenn man sie „nur“ live aus den Hamburger Messehallen überträgt und in einer Mediathek abrufbar macht.

Roundtable
Christian Lohmeier (li.o.) setzt nur auf Präsenz, Philipp Westermeyer (li.u.) arbeitet digital vor allem redaktionell und Dominik Matyka (re.u.) glaubt fest an die digitale Messe – Bild: Screenshot

Arne Schulze-Geisler tat sich anfangs schwer, die Monetarisierungsmöglichkeiten von Webinaren zu finden. Adzine konzentriert sich auf das erweiterte Themenumfeld Programmatic Advertising und hat somit nur einen Ausschnitt aus dem Marketing-Gesamtpublikum als Zielgruppe. Aber genau das ist das Asset, das Adzine nun in die Waagschale wirft. Die Themen-Community hat sonst keine echte Heimat im Digitalen. Die allgemeinen Marketing-Publisher wie OMR, Onlinemarketing.de oder auch MEEDIA und Horizont kratzen aus Sicht der Techies nur an der Oberfläche der Themen. So hat sich Adzine zur Daueranlaufstelle für das ganze Jahr entwickelt. Fast im Wochenrhythmus finden dort digitale Zusammenkünfte mit teils lebendigen Diskussionen statt. Und die gibt es im Wesentlichen gegen Geld im Abo-Modell. Und die Konferenz Adtrader im Juni soll das Highlight sein. Inklusive dem lang herbeigesehnten Networking.

Das ganze große Brett in Sachen Hybrid bohrt die DMEXCO. Auch sie will ihre Plattform als Community-Zentrum der deutschen und teils auch internationalen Marketing-Gemeinschaft in Stellung bringen. Dazu bieten die Kölner die Plattform Dritten für eigene Events an. Torsten Schwarz wird dort veranstalten. Adobe macht das bereits zum wiederholten Mal und der BVDW ist naturgemäß Kunde der Kölnmesse. Im Mai wird es einen komplett digitalen Ableger der DMEXCO zum Thema Metaverse geben. Und während der Messezeit im September wird der Content natürlich auf die Plattform übertragen.

Allerdings zeitversetzt. Dabei geht es weniger darum, den Präsenzkunden die Inhalte früher exklusiv zur Verfügung zu stellen, sondern es geht eher darum, das Marketing-Personal zu entlasten. „Es sind oft die gleichen Leute, die in Köln eine Masterclass betreuen und auch den Messestand und das Webinarangebot organisieren“, sagt Dominik Matyka. Damit die ihren Zeiteinsatz besser steuern können, findet die reale Masterclass in den Messehallen zum Beispiel am 21. September statt. Der Stream inklusive Diskussionsmöglichkeit wird dann am 22. September ausgestrahlt.

Die Bedeutung für Veranstalter, Speaker und Moderatoren

Es gibt also nicht „DAS“ neue Normal. Es gibt eine Verbreiterung der Möglichkeiten und Anforderungen für alle Beteiligten und die wird mutmaßlich auch nicht mehr weg gehen.

Easy VR
Die Bühne und die Talkkonzepte von Gedanktentanken (Greator) finden sich inzwischen in der virtuellen Umgebung von Easy Speech – Bild: Verlag Dashöfer

Für Veranstalter auch kleinerer Events bedeutet das, dass man tatsächlich beides vorbereiten muss. Man braucht die Slides der Speaker, um sie im Video einblenden zu können. Egal ob das live oder in der Mediathek passiert. Das Videobild aus einem Zoom-Webinar muss qualitativ aber auch von der optischen Gestaltung her so gut sein, dass es auf Dauer kritischer Betrachtung standhält und im Ausnahmefall auch live gestreamt werden kann. Gleiches gilt für Videoaufzeichnungen, die man von einem realen Talk macht, um diese hinterher zweitverwerten. Hier braucht es vor allem guten Ton. Man kommt mit einer Totalen und den eingeblendeten Slides der Speaker einigermaßen durch, wenn der Ton dazu passt.

Die gute Nachricht: Das Equipment dazu ist nicht exorbitant teuer und das Handling haben viele Marketer in Pandemiezeiten gelernt.

Für Moderatoren bleibt es oberstes Gebot, Werkzeuge im Arsenal zu haben, die die Aufmerksamkeit des Publikums binden oder zurückholen. Das gilt vor allem bei Digitalangeboten, wo die Aufmerksamkeitsspanne eher flüchtig ist. Solche Tools, wie die „Schneeballschlacht“, helfen im Zweifel auch einem trägen Publikum im realen Konferenzraum auf die Sprünge.

Langfristig ergibt sich die spannende Aufgabe, wie man Feedback von digitalen Zuschauern und aus dem Saal kombinieren und zu schlüssigen FAQ-Runden aggregieren kann. Die Macher der DMEXCO halten das stand heute noch für sehr schwierig. Tatsächlich braucht es eventuell einer kompetenten Person, die die Fragen des digitalen Publikums sammelt und priorisiert an den Moderator weitergibt.

Und für Speaker gilt, dass das Design der Slides nicht nur optisch zu überprüfen ist, sondern natürlich auch in Sachen Bildrechte analysiert werden muss. Urheberrechtsverletzungen, die bei einem Einzelvortrag vielleicht noch durchgehen, sollten in einer Mediathek oder auf Youtube nicht dauerhaft zu sehen sein.

Außerdem ergibt es Sinn, eine Tonspur zum Vortrag aufzuzeichnen. Daraus kann man eine Textfassung machen fürs Handout und den eigenen Blog. Und man kann mit der Tonspur und den Slides ein akzeptables Videoformat realisieren. Vielleicht ergibt es Sinn, diese Tonspur beim Üben des Vortrags aufzuzeichnen. Dann hat man eine ruhige Umgebung und kann gute Tonqualität produzieren. Diese läßt sich – je nach Inhalt – vielleicht sogar als Teil eines Podcasts inszenieren.

Ganz wesentlich für Speaker ist aber, dass sie ihre Kamerapräsenz weiter trainieren. Denn das geht nicht mehr weg. Und wer gut vor der Kamera sprechen kann, ist zumindest akzeptabel auf der Bühne. Umgekehrt gilt das nicht unbedingt. Hier kommen eventuell die an dieser Stelle schon vorgestellten Virtual Reality Tools ins Spiel (siehe unten). Das Hamburger Tool Easy Speech hat nicht umsonst inzwischen eine Kooperation mit Gedankentanken bzw. Greator.

Mehr über VR-Tools im Speakertraining finden Sie hier.

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