Was Corona die Event-Branche gelehrt hat

Webinare und Online-Konferenzen

In den letzten sechs Wochen haben sich Speaker und Veranstalter intensiv um die Online-Variante der Kommunikation gekümmert. Nicht immer mit Erfolg, aber inzwischen wird immer deutlich, was Webinare und Online-Konferenzen können und was nicht. Und wie man es richtig macht.

„Ich bin froh, dass der Kurs trotzdem stattgefunden hat“. Das ist die Aussage einer Teilnehmerin an einem Geburtsvorbereitungskurs Ende März. Die werdenden Mütter sind verunsichert, vor allem, wenn es das erste Mal ist. Was kommt auch mich zu, was ist „normal“ und wann bedarf es einer besonderen Aufmerksamkeit? Und Im Gegensatz zu vielen anderen Terminen ist eine Geburt eben nicht verschiebbar. Auch nicht in Corona-Zeiten.

Der Geburtsvorbereitungskurs fand online statt. Als Webinar. Und er hat „trotzdem“ funktioniert. Aber was heißt eigentlich trotzdem? Haben wir nicht alle in den letzten Wochen festgestellt, dass soziale Interaktion, gute Betreuung und Vertrauensaufbau auch online funktionieren kann? Die regelmäßigen Teilnehmer auf Dating-Plattformen wussten das vielleicht vorher schon. Für viele andere war das Neuland.

Das emotionale Webinar

Hebamme Michaela musste am ersten Wochenende nach dem Abstandsgebot einen Geburtsvorbereitungskurs abhalten und entschied sich für ein Webinar-Format (Bild: Michaela Styrnal / Collage: Frank Puscher)

Ich durfte für die T3N einen Bericht über den Geburtsvorbereitungskurs schreiben. Darin finden sich zwei wichtige Erkenntnisse: Wenn man „Customer-first“ denkt, also aus der Sicht dessen was die Teilnehmer brauchenund erwarten, kann online schon ziemlich viel. Im Falle der Hebamme ist das natürlich die Kommunikation, das Beantworten der Fragen aber auch die Herstellung eines passenden optischen Ambientes. Unser Kurs fand in einem Yogaraum statt. Das ist eben anders, als ein Webinar vor einer Bücherwand im Mansardenbüro.

Und der zweite Aspekt ist das technische Setup. Es geht nicht um viel sondern um die richtige Technik und deren Einsatz. Eine Hebamme muss sich bewegen können, weil sie Dinge mit Händen, Armen, Gesten und Bewegungen visualisiert. Als braucht es eine variable Optik in der Kamera mit Zoom-Möglichkeiten und für den Ton entweder ein Kragenmikrofon oder eine Angel. Earpods gehen theoretisch auch, aber Distanzverbindungen via Bluetooth sind immer heikel.

Der Rest ist gesunder Menschenverstand. Natürlich sieht es besser aus, wenn die Kamera auf Augenhöhe in das Gesicht des Speakers zielt, statt von unten in die Nasenlöcher. Und es ist ebenso schöner, wenn der Speaker in die Kamera schaut und nicht auf seinen Bildschirm. Ein kleines Bisschen Beleuchtung macht das Kamerabild viel schöner und der Greenscreen ist in 95 Prozent aller Fälle verboten, es sei denn, man hat wirklich eine einfarbige Wand hinter sich.

Letztlich geht es um den konkreten USP. Ein Webinar ist dann besser als ein Youtube-Video, wenn Interaktion entsteht. Da kann ein Moderator ganz gut helfen, auch wenn das sehr nach Sales-Pitch klingt. Aber die Volatilität des Online-Formats verlangt noch mehr aktive Bespielung der Teilnehmer, als das in einem Konferenzraum nötig ist.

Die Rahmenbedingungen

Die Homeofficebattle ist ein einfach aufzusetzendes, interaktives und unterhaltsames Format, dass nur live wirklich gut funktioniert (Bild: Screenshot / Patrick KLingberg)

Was die aktuelle Situation aber auch klar zeigt ist, wie viele Veranstalter das Thema Digital bisher sträflich vernachlässigt haben. Es fehlen Konzepte. Nicht nur für die Veranstaltung selbst sondern für das Drumrum. Es gibt ein gutes Dutzend unterschiedlicher Talk-Formate, vom Elevator-Pitch bis zur Homeoffice-Battle, die online ebenso spannend inszeniert werden können, wie in einer Präsenzveranstaltung. Einzig: Die Veranstalter tun es nicht oder zu selten.

Auch die Aktivierung eines Rahmenprogramms stellt Viele vor schier unlösbare Probleme. Dabei hat zum Beispiel die versammelte Schar an Künstlern, Musikern, Comedians oder Poetry-Slammern zur Zeit nur sehr wenig Aufträge. Diese in ein Online-Event einzubinden ist ein Klacks, da sie alle selbst für sich gelernt haben, wie ihr Format übers Netz funktioniert.

Ein schlüssiges Vermarktungskonzept sucht man meistens vergebens. Es scheint, als gibt es nur „ganz oder gar nicht“. Sprich: Man verlangt den klassischen Ticketsatz auch für die Onlineveranstaltung und negiert damit komplett, dass die Leistung des Veranstalters eine kleinere ist, wenn sich die Teilnehmer selbst um Catering und Abendprogramm kümmern.

Oder man bietet die Veranstaltung komplett kostenlos an und wird auf Dauer deshalb kaum mehr in der Lage sein, einen Ticketpreis zu rechtfertigen. Die Übersättigung einzelner Märkte – etwa in Themen wie eCommerce und Onlinemarketing – war noch nie so offensichtlich wie heute. Und natürlich nutzen die großen Corporates die Gelegenheit, um ihre Budgets für Eventbesuche auf den Prüfstand zu stellen.

Wo sind sie, die pfiffigen Vermarktungspläne? Hatte die Branche nicht zwanzig Jahre Zeit, das Fremium-Modell aus der Softwareindustrie zu lernen? Der Einstieg ist kostenlos und Reichweiten-wirksam, und dann gibt es Upselling und Premium-Angebote, die Gewinn erwirtschaften. Das können Workshops sein, exklusive Talks oder Kooperationen mit Sponsoren, die sich für ihr CRM-Daten wünschen.

Und wie steht es mit Rechtsthemen? Es ist etwas komplett anderes, ob ein Speaker ein Referat in einem geschlossenen Konferenzraum hält, oder ob die Aufzeichnung desselbigen auf Youtube landet. Gut die Hälfte aller Speaker, die ich in den letzten Wochen online erlebt habe, nutzen urheberrechtlich geschütztes Material. Und ich schätze, dass nicht einer sich dafür die Lizenzrechte gekauft hat.

Vom Thema Datenschutz wollen wir an dieser Stelle nicht sprechen. Grundsätzlich aber sollte klar sein, dass Dinge, die im „virtuellen Las Vegas“ besprochen werden eben nicht dort bleiben. Es wäre furchtbar naiv zu glauben, dass Zoom, Adobe, GoTo oder Microsoft diesen gigantischen Datenschatz, der ihnen auf diesem Weg übermittelt wird, nicht in irgendeiner Form nutzen.  Transparenz ist oberste Veranstalterpflicht.

Think positive

Es fällt nicht leicht, diesen Tagen etwas Gutes abzugewinnen, wenn man Veranstalter, Speaker oder Tagungslocation ist. Aber den Kopf in den Sand stecken hilft nicht. Sucht nach Partnern aus anderen Branchen, die viele der Lektionen längst gelernt haben. Schaut bei den Letsplay-Youtubern, wie man Interaktion im digitalen Live-Event aktiviert. Analysiert die Vermarktungskonzepte der Softwarebranche, um auf Ideen für ein schlüssiges Erlösmodell zu kommen. Und werft nicht alles über Bord, was bisher die Qualität Eurer Arbeit ausgezeichnet hat. Wo sind denn die Webinare, die mit einem durchgängigen Corporate Branding des Veranstalters (oder Sponsors) aufwarten?

Es mangelt an Kreativität und Konstruktivität und beides sind die wichtigsten Stärken, mit denen sich die Eventbranche in den letzten Jahren ausgezeichnet hat.    

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