Speakertraining in Virtual Reality

VR-Bild

Ich wurde von einem Verlag aus Hamburg eingeladen, ein neues Produkt zu testen. Es handelt sich um eine Simulation einer Sprecher-Situation in einer Virtual Reality Brille. Das Produkt soll Sprechern die Angst nehmen, auf Bühnen zu stehen und es soll die Möglichkeit bieten, Talks im Trockentraining vorzubereiten. 80 Prozent aller Amerikaner leiden unter der so genannten Speakerangst. In Europa sind es Studien zufolge 75 Prozent.

Ich habe das Glück, dass ich nicht darunter leide. Mir macht der Auftritt auf der Bühne Spaß. Lampenfieber und ein kleines Grummeln im Bauch ist immer dabei. Aber das muss auch so sein, denn es sorgt für die nötige Fokussierung und Konzentration. Wobei das mit der Fokussierung ist so eine Sache: Ich kann mich zwar auf die Situation und das Grundthema meines Vortrags fokussieren, aber allzu häufig habe ich so viel über ein Thema recherchiert, dass ich aus der Zeit laufe oder sehr schnell sprechen muss. Beides natürlich einem stringenten Spannungsbogen und einer optimalen Übermittlung der Inhalte nicht gerade förderlich.

VirtualSpeach

Mein Fokus 🙂 bei diesem Test lag also weniger auf der Überwindung von Angst, als auf dem Besserwerden. Funktioniert das mit einer VR-Brille?

Das Setup ist simpel. Der Verlag Dashöfer verwendet die Oculus Go, eine recht leichte Standalone-Brille ohne Kabel. Sie hat nicht gerade eine brillante Auflösung, aber für aktuell rund 260 Euro ist das ein guter Einstieg in die VR-Welt und für das Speakertraining, wo es sicher nicht auf das letzte Pixel-Quentchen ankommt, ist sie allemal gut genug. Die aktuelle Oculus Quest, die aktuell für rund 500 Euro gehandelt wird, besitzt noch ein Tracking dazu. Sie kann sich in einem Raum selbst orten und damit Bewegungen des Spielers im Spiel nachvollziehen. Für Games ist das unverzichtbar, für das Speakertraining eher „nice to have“.

Die erste Präsentationssituation bei Dashöfer war ein Meeting mit rund 10 Teilnehmern. Das waren allesamt Verlagsmitarbeiter im Video, damit die Wirkung möglichst realistisch ist. Man findet sich in der Ich-Perspektive im Raum wieder, links hinter einem ist die Leinwand, auf der die Präsentation zu sehen ist. Noch kann EaseySpeech, so heißt das Produkt, nur mit einer PDF-Datei, also statischen Folien arbeiten. Und vielleicht ist das sogar gut so, denn Überblendungseffekte sollten mit sehr viel Bedacht eingesetzt werden. Aber in einer künftigen Ausbaustufe kann EasySpeech auch Powerpoint und Keynote.

Die Zeit läuft, ich beginne zaghaft zu sprechen. Es fühlt sich merkwürdig an, weil man weiß, dass andere Testteilnehmer einem zusehen. Das legt sich aber mit der Zeit, wenn es gelingt, ins Thema einzusteigen. Es gibt immer wieder kleinere und größere Irritationen. Das Licht flackert, ein Krankenwagen fährt lautstark vorbei oder ein Teilnehmer wünscht, man möge ihm alles doch so erklären, als wäre er ein kleines Kind.

Mit der Zeit beginnt man mit den Störungen zu spielen. Man baut sie in den Vortrag ein oder geht ironisch mit einem Kommentar um. Man wird locker. Und genau das ist der Effekt, den das Tool haben soll. Man soll seine Präsentation souverän halten.

Nach dem Ende der Session zeigt die Software EasySpeech eine Auswertung. Wie viel Blickkontakt hat man zu Teilnehmern gesucht? Wie häufig hat man Füllwörter verwendet, wie schnell hat man gesprochen? Ich war nicht ganz einverstanden mit den absoluten gemessenen Werten, aber in einem zweiten Versuch, wo ich betont langsam sprach, zeigte sich, das das System sauber reagiert. Man kann also seine Speaker-Fähigkeiten gezielt verändern und bekommt dafür Feedback. Das ist schon ein mächtiges Tool.

Auswertung

Noch spannender finde ich aber zwei Zusatzfunktionen, die gar nicht den Kern des Produktes darstellen,. Zum Einen hat die Software laut Herstellerangaben die Fähigkeit, das Gesagte zu transkribieren. Wenn das funktioniert, ist es genial, denn es macht aus jedem gehaltenen Vortrag ein Stück für das Content-Marketing, ohne dass man wahnsinning viel zusätzlich daran arbeiten muss.

Und man kann die fertige Aufzeichnung des eigenen Vortrags an einen Trainer schicken und sich durch diesen aus der Ferne coachen lassen. Vielleicht ist das ein Setup, dass besonders am Anfang spannend ist, oder vor einer heiklen Großveranstaltung.

Unterm Strich ist EasySpeech ein sehr spannendes Werkzeug für das Training. DasHöfer verkauft ein Abo-Modell und richtet sich vor allem an mittlere und größere Firmen mit entsprechender professioneller Betreuung. Man kann allerdings auch eine Stufe kleiner anfangen: Von Samsung gibt es eine Software namens BeFearless und die ähnelt EasySpeech. Sie ist nicht ganz so liebevoll aufs Deutsche adaptiert, aber man hat sich zum Beispiel gute Stimmen als Sprecher geleistet. Das macht beispielsweise das Bewerbungsgespräch unter acht Augen echt spannend. Und in BeFearless gibt es auch den großen Konferenzsaal zum Bespielen. Zusammen mit einer preiswerten OculusGo hat man da ganz schnell ein Paket zusammen, mit dem sich trefflich Vorträge üben und die Speakerängste bekämpfen lassen.

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